Blässlich
„La fille du régiment“ an der Bayerischen Staatsoper
München, 22. Dezember 2024, Christian Gohlke

Das Erfreulichste gleich vorweg: So schlimm wie seine „Aida“, die im Mai letzten Jahres an der Bayerischen Staatsoper herauskam, ist Damiano Michielettos neuer Inszenierungsversuch nicht: Immerhin will er Donizettis opéra-comique „La fille du régiment“ tatsächlich als komische Oper auf die Bühne bringen.

So ganz scheint er sich aber denn doch nicht getraut zu haben, einfach einen leichten, komischen Abend zu präsentieren. Sein Ausstatter Paolo Fanti präsentiert die Geschichte auf einer schrägen, weiß getünchten Spielfläche, die oben und auf den Seiten von einer ostentativ sichtbaren Beleuchtungsmaschinerie begrenzt wird. Die hintere Wand zeigt als Phototapete einen verschneiten Wald, wobei die Plane immer wieder zu Auftritten angehoben wird und später ganz vom Gerüst fällt. Das sind etwas müde Brechungen der Illusion, die zu gar nichts führen als bestenfalls zur Erkenntnis, dass solche an Brecht geschulten Effekte inzwischen ziemlich abgestanden wirken. Weitreichender (und fataler) ist Michielettos Einfall, alle Dialoge zu streichen und stattdessen eine Sprecherinstanz einzuführen, die das Publikum durch den Abend geleitet. Sunnyi Melles macht das zweifellos hervorragend: So artifiziell wie das überladene Rokoko-Kleid samt hochgetürmter Frisur mit wippender Federgarnitur ist ihre Artikulation. Sie hält auf Distinktion, blickt mit Verachtung auf verworrene Zeiten, in denen die Leute einen Marquis kaum noch von einem Metzger unterscheiden können, und kann demgemäß die Beziehung zwischen Marie, der Adelstochter, und Tonio, dem Dorfburschen, nicht goutieren. Wie Melles sich über diese Mesalliance echauffiert, ist durchaus witzig. Aber der Preis, den der Regisseur für diesen Einfall zahlt, ist hoch: Ohne Dialoge können sich die Figuren nicht profilieren; sie bleiben allesamt blass. Der herbe Charme der Regimentstochter, die gutmütige Herzlichkeit Tonios, die Arroganz der Marquise de Berkenfield (Dorothea Röschmann) – all das ist in München kaum mehr kenntlich, zumal der Regisseur die Personen in den Musiknummern nicht deutlich genug zu zeichnen versteht: Die Soldaten marschieren in ihren weißen, historisierenden Uniformen (Kostüme: Agostino Cavalca) bei jedem Auftritt etwas trottelig zum Takt der Musik, und wenn Marie und Tonio sich endlich ihre Liebe gestehen, beschäftigt sie sich eher mit einem Topf, den sie über ein kleines Lagerfeuer hängen möchte, als mit ihm, der mit verschränkten Armen wie gelangweilt danebensteht. Das rührt in keinem Moment.

Ein wenig liegt das wohl auch an den beiden Protagonisten des Abends. Pretty Yende spinnt zwar feine Koloraturketten und verfügt über leuchtende Spitzentöne. Ihre Stimme bleibt aber in der Mittellage arm an Fülle und Farben; da würde man sich eine größere Differenz im Ausdruck wünschen. Ihr Partner, der noch nicht einmal 30 Jahre alte, in Spanien geborene Tenor Xabier Anduaga, meistert die gefürchteten neun hohen Cs in seiner Arie „Ah mes amis“ mit Kraft und bewundernswerter Präzision. Sein Tenor hat Strahlkraft in den Höhen und Flexibilität, ohne dabei noch besonders charakteristisch zu sein. Auf seine Entwicklung darf man mit Spannung warten. Stefano Montanari führte das solide Ensemble und das eher klein besetzte, höchst flexible Bayerische Staatsorchester sicher durch den Abend und ließ besonders zu Beginn aufhorchen. So differenziert und zart und genau wie jetzt in München hört man weder die Ouvertüre noch auch den Eingangschor besonders häufig. Im Laufe der Aufführung verlor sich dieser Eindruck merkwürdigerweise mehr und mehr. Der Applaus des Premierenpublikums war freundlich und kurz. Haften bleibt von diesem Opernabend kaum etwas.