„Cosi fan tutte“ bei den Salzburger Festspielen
Mozarts „Cosi fan tutte“ wird in Christof Loys kluger Inszenierung und dank einer starken Besetzung zu einem seltenen Glücksfall des Operntheaters
Salzburg, 6. August 2021, Christian Gohlke

Als im letzten Sommer der 100. Geburtstag der Salzburger Festspiele gefeiert wurde, war es eine gar nicht so kleine Sensation, dass es im Großen Festspielhaus trotz Pandemie möglich war, eine Oper auf die Bühne zu bringen: Mozarts „Cosi fan tutte“ in einer eigens erstellten Kurzfassung, die ohne Pause gespielt werden konnte.

Die Inszenierung von Christof Loy, die jetzt wieder aufgenommen wurde, ist eine überzeugende Regie-Arbeit. Hier gibt es einmal kein Konzept und keine abstrakte Idee. Es gibt keine Videos, keine eingefügte Musik und kein szenisches Rätselraten. Hier zeigt ein kluger Regisseur mit einem hervorragenden Ensemble die komplexen Beziehungen der sechs Figuren untereinander. Eine weiße Wand mit zwei Türen, eine Treppe, die hinabführt in den Orchestergraben – das ist die schlichte Bühne von Johannes Leiacker, auf der sich das Spiel um Liebe und Verrat, Treue und Trug entfaltet; anrührend und komisch zugleich.

Ferrando und Guglielmo sind in der präzisen Personenführung dieser Inszenierung glaubhaft zwei noch ganz junge Männer, die sich der unbedingten Treue ihrer Freundinnen aus Mangel an Lebenserfahrung nur allzu gewiss sind. In fast noch adoleszenter Dalberigkeit preist der verkleidete Guglielmo von Andrè Schuen mit dunklem Bariton, der im Laufe des Abends zunehmend an Geschmeidigkeit gewinnt, nicht nur seine schöne Nase, sondern auch den prachtvollen Bart als Ausweis einer strotzenden Männlichkeit. Anders äußert sich die Jugend bei Ferrando: Nicht im Imponiergehabe, sondern im noch völlig ungebrochenen lyrischen Überschwang des Gefühls. Bogdan Volkov, dessen Stimme zu Beginn des Abends noch ein wenig hart klang, erzählt mit nobler Phrasierung, schönem Legato und leichten Höhen davon, einzig vom Liebeshaus seines Schatzes zu leben und keiner anderen Nahrung zu bedürfen. Gerade hier, bei „Unaura amorosa“, gelingt auch der Regie ein besonders berührender Moment: Während Ferrando in seiner Arie selbstvergessen sein jugendliches Gefühl kerzengerade wie Rauch gen Himmel steigen lässt, steht der großartig agierende Martin Kränzle als Don Alfonso zunächst reglos neben ihm. Anstatt sich nun aber über Ferrandos tiefes Empfinden lustig zu machen, wie es von diesem abgeklärten, zu keinem großen Gefühl mehr fähigen Zyniker zu erwarten wäre, beginnt er zu schluchzen.

Es sind leise Momente und genaue Beobachtungen, mit denen diese Inszenierung überzeugt. Christof Loy teilt Mozarts liebevollen Blick auf die Figuren, die alle mit Sympathie und Tiefe gezeichnet sind. In ihren kurzen schwarzen Kleidern (Kostüme: Barbara Drosihn) sind Fiordiligi und Dorabella ohne jede plumpe Aktualisierung ganz heutig: Zwei Schwestern mit unterschiedlichem Temperament, aber großer Nähe und Vertrautheit untereinander. Zwar singt Marianne Crebassa mit dunklem, warm gefärbtem Mezzo im Brustton der Überzeugung von den unerträglichen Liebesqualen nach Ferrandos Weggang („Smanie implacabili“). Doch dann kann sie es doch nicht lassen, leichthin mit dem Finger von der Schokolade zu naschen, die Despina (mit hellem, leichtem Sopran: Lea Desandre) gerade heftig mit dem Rührbesen klappernd und dabei über ihr trübes Dasein als Kammermädchen klagend, zubereitet hat. Fiordiligli empfindet tiefer. Macht Elsa Dreisig mit stupender Technik, leuchtenden Höhen und klangvoller Tiefe in der „Felsen-Arie“ noch ein Element der Selbstinszenierung spürbar, so ist der Schmerz über den Irrtum ihrer liebenden Seele im großen Rondo „Per pietà“ umso wahrhaftiger.

So leicht und unangestrengt die Regie von Christof Loy wirkt, so natürlich und unverkrampft musizieren die noblen Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Joana Mallwitz. Die Tempi sind flüssig und niemals extrem, Details im Orchestersatz werden hörbar, doch nicht als brillanter Selbstzweck in den Vordergrund gespielt. Mozarts Musik hat Schwung und Charm, Witz und Tiefe. Ein Opernabend, der ganz ohne auftrumpfende Gesten daherkommt und musikalisch wie szenisch durch seine Bescheidenheit und Präzision besticht. Im heutigen Opernbetrieb – und gerade in Salzburg – ist das ein seltener Glücksfall.