Die letzte Premiere nach einer sehr durchwachsenden Spielzeit der Bayerischen Staatsoper mit so einigen enttäuschenden Neuproduktionen hat für vieles aus den vergangenen Monaten entschädigt: Gabriel Faurés sehr selten aufgeführte Oper "Pénélope" stand auf dem Programm, traditionell als zweite Festspielpremiere im Prinzregententheater aufgeführt. Die Oper stellt die bekannte Odysseus-Geschichte aus der Perspektive von Penelope dar. Es ist ihre Geschichte, und die Geschichte der gewalttätigen Rache an den Freiern. Nachdem sie brutal und gnadenlos abgeschlachtet worden sind, endet die Oper in einem Hymnus auf Zeus´ Gerechtigkeit.
Bei dieser Produktion stimmt so ziemlich alles. Da ist zum einen ein ausgesprochen innovatives Regiekonzept von Andrea Breth, das ganz von der Musik her gedacht ist und die betörende Partitur mit Sogwirkung in eine ungewöhnliche Bildsprache übersetzt. Eine Bildsprache, auf die man sich freilich einlassen muss, denn alles, was auf der Bühne geschieht, geschieht in atemberaubender Langsamkeit. Die Monotonie des Wartens, der Klang der Stille wird in Bildern umgesetzt, die teils rätselhaft bleiben, von denen aber auch die allgegenwärtige Bedrohung ausgeht, der sich Pénélope gegenübersieht. Breth hat keine Hoffnung für eine gute Zukunft des Ehepaares. Nie schauen sie sich an, nie berühren sie sich. Die Protagonisten werden teilweise durch Statisten verdoppelt oder verdreifacht, so dass Ulysse als erwachsener Mann, der er ist, als Kind, der er war, und als Greis, der er sein wird, gleichzeitig auf der Bühne sein kann. Noch ein weiteres Element dient der Gleichzeitigkeit von Verschiedenem, denn wir sehen auf der Bühne auch antike Statuen von Odysseus, die ganz zu Beginn der Oper zur Ouvertüre wie in einem Museum von Ulysse betrachtet werden. ‚Zum Raum wird hier die Zeit‘: Nie habe ich sinnfälligere Bilder dafür gesehen.
Zum anderen kann die Produktion mit ausgezeichneten Sängern punkten. Victoria Karkacheva in der Titelpartie hat einen starken, warmen Mezzosopran, der auch in den Höhen ausgesprochen kraftvoll bleibt. Brandon Jovanovich ist kein strahlender Italo-Tenor, sondern ein durch Wagnerpartien geprägter Heldentenor, der glänzend zur Partie eines gebrochenen, aber kampfbereiten Mannes passt. Thomas Mole, der Mitglied des Ensembles der Staatsoper ist, singt die Rolle des Hirten Eumée mit einem warmen, samtigen, farbenreichen Bariton. Er erfreut sich nicht einfach am Schönklang seiner Stimme, wie so manche Sänger seiner Generation, sondern kann auch die Nuancen der Partie stimmlich zur Geltung bringen. Unter den Freiern ist Luïc Félix als Antinoüs mit seinem klaren, hellen Tenor hervorzuheben, und Rinat Shaham bringt für die Partie der alten Amme eine manchmal beinahe etwas brüchige Stimme mit, die aber gut zur Rolle passt.
Ein Wermutstropfen sei allerdings nicht verschwiegen: Die Textverständlichkeit blieb oft auf der Strecke. Das mag auch ein wenig dem Orchester geschuldet sein, denn das Dirigat von Susanna Mälkki betonte nicht so sehr den eleganten, französischen Charakter der Partitur, sondern arbeite die Härte und Brutalität der Musik scharf heraus. Und das war dann oft auch einfach laut. Insofern passte ihr Dirigat bestens zur Inszenierung. Besonders eindrücklich zeigte sich das am Schluss der Oper, bei dem die Freier auf der Bühne von den Hirten mit Äxten in einem Schlachthaus in Zeitlupe erschlagen werden und Zeus durch den Chor für seine Gerechtigkeit lautstark gelobt wird. Der Chor schreit eher, als er singt, und das Orchester stimmt gewalttätig laut, beinahe lärmend, ein. Das französische Ehepaar, das neben mir saß, war jedenfalls der Meinung, die Musik sei viel zu deutsch gewesen, und ganz unrecht haben sie damit wohl nicht gehabt.
Viel Applaus für einen inspirierenden Opernabend, der zeigt, dass innovatives Regietheater nicht bedeuten muss, Kopfgeburten zu kreieren, die sich nicht in eine überzeugende Bildsprache übersetzen lassen und mit der Handlung der Oper nur am Rande etwas zu tun haben.