Ein Fest der Stimmen?
Giuseppe Verdis ‚Il masnadieri‘ an der Bayerischen Staatsoper
München, 20. Juli 2025, Michael Bordt SJ

Was mag die vielen Besucher, die mit ihren „Suche Karte“-Schildern bei glühender Sommerhitze die Eingangstüren des Nationaltheaters belagerten, motiviert haben, in die Oper gehen zu wollen? Wohl nicht allein die Tatsache, dass eine selten gespielte, frühe Verdioper zur Aufführung kam. Und meine Vermutung ist, dass sie auch nicht in erster Linie die düstere, in schwarz-weiß gehaltene Inszenierung von Johannes Erath sehen wollten, obwohl es erst die sechste Aufführung nach der Premiere im März 2020 gewesen ist. Pandemiebedingt musste damals ja viel abgesagt werden. Nein, es wird die angekündigte Starbesetzung gewesen sein, die die Menschen in die Oper trieb und trotz Preisen bis zu 243 Euro für eine volles Haus sorge.

Und wirklich: Lisette Oropesa als Amalia war phantastisch! Sie hat einen klaren Sopran mit einer soliden Basis, von der aus sie die höchsten Höhen und die vertrackten Koloraturen bewältigt. Aber nicht allein die Technik: Es war vor allem die Musikalität, die Intensität ihrer Interpretation, die, von ihren schauspielerischen Leitungen einmal ganz abgesehen, auch mich begeisterte. Sie war der umjubelte Mittelpunkt der Oper. Der zweite Pluspunkt der Aufführung war Erwin Schrott als Massimiliano, der Vater der verfeindeten Brüder. Welch ein edler, warmer Bass, der seine Partie stimmlich intelligent gestaltet und mühelos das Haus füllen kann. ‚Mühelos‘ ist ein Adjektiv, das einem zu Charles Castronovo nicht einfallen würde. Im Gegenteil. Seine Auftrittsarie ‚O mio castell paterno‘ klang gestemmt, man möchte beinahe sagen, streckenweise gebrüllt, so dass mir in ersten Akt um die Aufführung angst und bange wurde. Seine Stimme hat den Zenit wohl schon überschritten, auch wenn die Spitzentöne immer noch sitzen, allerdings nur im krassen Fortissimo. Aber es wurde deutlich besser. Nach der Pause gelangen ihm im Duett mit Amalie und erst recht in der Schlussszene anrührende und leisere Töne, so dass man sich fragt: Warum nicht gleich so? War es die Nervosität des Beginns? Oder auch, dass der Dirigent der Aufführung, Antonio Fogliani, die Tempi teilweise sehr langsam gestaltete und das Orchester dynamisch ziemlich aufdrehen ließ? Unter der Lautstärke litt auch Alfredo Daza in der Rolle des Bösewichts Francesco. Sein eigentlich kerniger Bariton, leider etwas arm an Modulationsmöglichkeiten und Farben, wurde von der Lautstärke aus dem Graben teilweise überdeckt. So richtig böse klang er nie – und auch nicht der Chor der Räuber, die sowohl musikalisch als auch durch die Inszenierung von Erath einen eher neutralen Eindruck hinterließen. Gefährlich war da nichts.

Wie schwer ist es heutzutage, große, souveräne Belcanto-Stimmen zu finden! – dachten mein Begleiter und ich, als wir aus dem Nationaltheater in die laue Sommernacht traten. Sänger und Sängerinnen, die nicht nur das Notenmaterial bewältigen, sondern auch stimmlich gestalten, die sich intensiv mit jeder Phrase, jeder Note auseinandersetzen. Die nicht einfach nur eine schöne Stimme haben, an der man sich erfreuen kann, sondern die sich sorgfältig überlegen, was sie singen, und den jeweiligen Ausdruck in ihre Stimme zu bringen vermögen. Oropesa hat vorgemacht, dass es möglich ist. Eine Kunst, die sich nicht mehr häufig findet. Zumindest nicht in München.