António Casalinho, 2003 in Portugal geboren, gehört seit der Spielzeit 2021/22 zum Ensemble des Bayerischen Staatsballetts, zunächst als Demi-Solist, seit seinem Debüt als James in La Sylphide sogar als Erster Solist. Ein Liebling des Publikums war der Tänzer von Anfang an; entsprechend groß war nun die Spannung vor seinem Debüt in einer der prominentesten Rollen des klassischen Balletts, nämlich als Protagonist in John Crankos „Romeo und Julia“, einer Produktion, die seit 1968 in München gezeigt wird und am vergangenen Samstag ihre 272. Wiederholung erlebte.
Casalinho gab einen zarten, fast noch knabenhaft wirkenden Romeo, der vor allem mit seiner ungemein präzisen Technik und flinker Beinarbeit beeindruckte. Geschmeidig, leicht, gleichsam als filigrane Silberstiftzeichnung präsentiert er seine Partie. Das hat großen Charme. Aber ein wenig fehlt ihm für diese Rolle der glaubhafte Ausdruck der Leidenschaft, nicht nur in der Auseinandersetzung mit Tybalt, wenn so etwas wie heiliger Zorn über den Liebenden kommt, sondern ein wenig auch in der Begegnung mit Julia, die Margarita Fernandes, jüngst zur Solistin befördert, an diesem Abend ebenfalls zum ersten Mal als quicklebendiges, eher robustes als elfenhaftes Mädchen verkörperte. Die beiden Tänzer (auch im profanen Alltagsleben ein Paar) harmonieren bestens miteinander; jederzeit spürt man ihre große Vertrautheit, wenn auch nicht alle komplizierten Hebefiguren ganz mühelos glücken. Doch gerade die initiale Begegnung auf dem Fest der Capulets, wenn beide den Blick kaum voneinander lassen können und es sie magnetisch zueinander zieht, bleibt etwas kühl, womöglich, weil die Konzentration noch zu sehr auf technischen Aspekten liegt. Das kann sich ändern und mit jeder weiteren Vorstellung überzeugender gelingen.
In geringerem Maße mag das auch für Ariel Merkuri gelten, der zum ersten Mal als Mercutio zu erleben war. Er meistert diesen anspruchsvollen Part sehr achtbar. Ihm fehlt indes das Überschießend-Quecksilberige, das charakterliche Changieren zwischen Ernst und Komik, das diese Figur doch kennzeichnet und gerade im Duell mit dem Finsterling Tybalt (Robin Strona) stärker hervortreten könnte. Glücklicher wirkte das Debüt von Soren Sakadales: Der kleinen Rolle des Faschingsprinzen verlieh er mit seiner gummiartig beweglichen, großgewachsenen Gestalt beachtliche Präsenz. So bleibt die alte Geschichte vom Jüngling, der ein Mädchen liebt, doch immer neu. Das ist spannend und allemal lohnend zu sehen, selbst wenn einem dabei das Herz nicht immer entzwei bricht.