Heiter bis wolkig
„Die Nacht vor Weihnachten“
München., 29. November 2025, Michael Bordt SJ

Nach der zauberhaften, poetischen Frankfurter Inszenierung von „Die Nacht vor Weihnachten“ vor einigen Jahren hat nun die Bayerische Staatsoper die selten gespielte Oper von Rimski-Korsakow als erste Premiere der neuen Spielzeit aufs Programm gesetzt. An die Poesie und Magie der mehrfach prämierten Frankfurter Aufführung unter Christof Loy reicht die Münchner Produktion zwar kaum heran. Aber sie ist über weite Strecken unterhaltsam, amüsant, farbenfroh, und man folgt dem Geschehen auf der Bühne gern.

Wer Barrie Kosky als Regisseur engagiert, weiß, was ihn erwartet: eine handwerklich präzise gearbeitete Produktion mit sicherem Gespür für Timing, theatralische Effekte und wohl dosierte Provokation. So auch in München. Kosky verlegt die Geschichte um den redlichen, verliebten Schmied Waloka und die zunächst spröde, abweisende Oksana in eine Art Zirkuswelt innerhalb einer ansonsten eher grauen Stadt. Der Zirkusdirektor ist der Teufel persönlich, effektvoll umringt von einer Horde maskierter Gestalten, deren schnelle, geduckte Bewegungen an Raubtiere, an Schakale erinnern. Sie stehen ihm tatkräftig zur Seite, etwa wenn sie eimerweise Kunstschnee über die Protagonisten ausschütten. Die meisten Figuren des Spiels im Spiel treten in dicken, gefütterten Kostümen auf und erinnern in ihrer Maskerade an Zirkusclowns.

Die Idee, die Oper als Spiel im Spiel zu erzählen, passt zum Inhalt des Stücks. Denn anders als in der Erzählung Gogols, die der Oper als Vorlage dient, erklärt Waloka in der Schlussszene, er werde niemandem verraten, ob er die Bedingung erfüllt habe, die Oksana ihm für ihre Heirat stellte: nach Petersburg zu reisen und das schönste Paar Schuhe der Zarin für seine zukünftige Braut zu besorgen. Nur dem Dichter, der daraus eine Geschichte machen soll, wolle er sich anvertrauen.

Trotz des beachtlichen Drives der Inszenierung gelingt es Kosky nicht immer, die Längen der Partitur – vor allem im zweiten Akt – vergessen zu machen. Bedauerlich ist, dass Kosky und sein Team keine überzeugenden Bilder für den großen Flug gefunden haben, den Waloka mit dem Teufel zum Zarenhof unternimmt, um die Schuhe für seine Angebetete zu holen. Stattdessen lässt Kosky zu dieser Musik seinen Choreografen Otto Pichler ein Ballett auftreten, das zwar nett anzuschauen ist (und natürlich – wie könnte es bei Kosky anders sein? – auch Männer in Frauenkleidern auf die Bühne bringt, gähn…), mit der Handlung der Oper aber so gar nichts zu tun hat und offenbar einfach nur unterhaltsam sein soll.

Musikalisch war es eine erfreuliche Premiere. Vladimir Jurowski fühlte sich in Rimski-Korsakows Partitur hörbar wohler als bei seiner letzten Premiere, Mozarts „Don Giovanni“. Die Musik konnte ihre farbige Pracht und Fülle entfalten. Passend zur Inszenierung wählte Jurowski meist zügige Tempi; an manchen Stellen – etwa in der Begleitung von Oksanas zweiter großer Arie – hätte man sich etwas mehr Ruhe gewünscht.

Das Liebespaar war etwas ungleich besetzt. Elena Tsallagova verfügt als Oksana über einen klaren, hellen Sopran. Sergey Skorokhodov hingegen musste als Waloka so manchen hohen Ton unschön stemmen; seinem eher engen Tenor fehlte der Schmelz, der der Partie gutgetan und der Figur mehr Liebenswürdigkeit und Glaubwürdigkeit verliehen hätte. Ekaterina Semenchuk als Solocha schien nicht in Bestform zu sein und flüchtete sich mitunter in ein Keifen, das zwar zur Hexe passt, stimmlich aber etwas enttäuschte. Der Tenor von Tansel Akzeybek in der Rolle des Teufels hingegen war klar und durchsetzungsstark.

Dass man die Rolle der Zarin – deren grandioser Auftritt hier nicht im Detail verraten werden soll – der Grande Dame Violeta Urmana anvertrauen konnte und die Oper auch sonst bis in die kleinsten Partien hinein erstklassig besetzt war, trug entscheidend zum berechtigten großen Schlussapplaus des Publikums bei.