Hightech und Hochkultur
Apple Music Classical kooperiert mit den Wiener Philharmonikern und den Salzburger Festspielen
Salzburg, 13. August 2023, Peter Wiedmann und Christian Gohlke
In einer Welt, die von ständigem technologischem Fortschritt geprägt ist, bahnt sich eine vielversprechende Verbindung zwischen Tradition und Innovation an. Apple hat bei einer Pressekonferenz im noblen Hotel Sacher zu Salzburg eine Partnerschaft mit den renommierten Festspielen und den Wiener Philharmonikern bekanntgegeben. Diese Zusammenarbeit ist eine aufregende Symbiose von klassischer Musik und modernster Technologie.

Durch „Apple Music Classical“, einer Plattform, die sich der Bewahrung und Förderung der klassischen Musik widmet, sollen Höhepunkte aus der Geschichte, aber auch solche aus unserer Gegenwart einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden.

Dank einer komfortablen Suchfunktion kann man auf über fünf Millionen Titel, auf über 120.000 Werke von über 20.000 Komponisten in höchstverfügbarer Audioqualität zugreifen. Der Katalog wird ständig erweitert, und teilweise gibt es kuratierte Hörerlebnisse mit einer Auswahl an Werken und kurzen Hintergrundinformationen. Die eigentliche Herausforderung liegt jedoch in der Pflege der Datenbank. Die unvorstellbar große Summe an Titeln muss für den anspruchsvollen Apple Kunden einfach auffindbar sein und zudem Ansprüchen von technologisch verwöhnten App-Nutzern entsprechen. Ein Großteil der Apple Music Classical Mitarbeiter, Informatiker und Datenbankexperten unter Anleitung von musikalisch ausgebildeten Fachexperten, ist denn auch für die Qualitätssteigerung und Weiterentwicklungen angestellt. Glaubt man den nicht selten skeptischen Kommentaren im Apple-Store, bleibt für diese Mannschaft noch viel zu tun.

Für die Wiener Philharmoniker geht es bei der neuen Kooperation darum, wie ihr Vorstand Daniel Froschauer bei der Vorstellung sagte, „von Apple zu lernen“ – also Qualität und Tiefe des Orchesterrepertoires einem digitalen Publikum zugänglich zu machen und dabei mit zusätzlichen Einnahmen die Weiterentwicklung als selbständig geführtes Orchester zu sichern.

Knapp 6000 Aufnahmen stellt das Spitzenorchester zur Verfügung, beginnend mit einer Einspielung aus dem Jahr 1928. Erich Kleiber dirigiert den berühmten „Donauwalzer“. Aber auch aktuelle Aufnahmen wird es für die Kunden exklusiv zu erleben geben: Die Abonnementkonzerte des Orchesters – in jeder Saison gastieren wichtige Dirigenten unserer Tage in Wien – sind so legendär wie begehrt. Nun werden die Türen zum Goldenen Saal weit geöffnet, so dass Musikfreunde aus aller Welt an diesen Konzerten teilhaben können. Spätestens mit der Einführung von Apples Virtual Reality Brille im nächsten Jahr könnten Hörer virtuell in den Konzertsaal treten und das Gefühl haben, live bei den Aufführungen dabei zu sein.

Für Klassikfans ist das Angebot eine sinnvolle Ergänzung zu teilweise immer noch genutzten, großen Beständen an Aufnahmen auf CDs und Schallplatten. Das zeigen auch die Abrufzahlen auf Android Geräten mit über 100.000 seit Markteintritt im März dieses Jahres. Es ist bei diesen Zahlen allerdings zu berücksichtigen, dass für Abonnenten von Apple Music die Nutzung von Apple Music Classical bereits inbegriffen ist und sich daher keine exakten Nutzerzahlen ableiten lassen. Apple selbst ist traditionellerweise sehr zurückhalten mit der Veröffentlichung solcher Daten.

Alles in allem ein vielversprechender Start. Und eine Kooperation, die viele Chancen bietet, die andere Streamingdienste bislang nicht genutzt haben: Anspruchsvolle Kunden vermissen die Möglichkeit, bei Opern oder Liedern die (idealerweise mehrsprachigen) Texte, vielleicht sogar die Partitur mitlesen zu können. Was sonst mühsam erarbeitet werden muss, könnte eine solche App sehr leicht zugänglich machen: Einführungen, Analysen, historische Exkurse, Interpretationsvergleiche. Allein die über Jahrzehnte hinweg dokumentierten Neujahrskonzerte böten dafür überreiches Material: Was könnte das für eine Lust sein, sich von Experten erklären zu lassen, inwiefern sich einzelne Interpretationen voneinander unterscheiden, wie der Klang des Orchesters sich im Zeitraum von acht Dekaden entwickelt, wie die Aufnahmetechnik fortgeschritten ist! Und die Salzburger Festspiele könnten ihrerseits ihr reiches Archiv öffnen und denkwürdige Aufführungen aus der Geschichte zugänglich machen oder sogar neue Formate finden, um die Möglichkeiten der Technologie voll auszunutzen. Das alles erfordert zweifellos Geld und Ausdauer. Über ersteres sollte ein Konzern wie Apple verfügen. Mut und Durchhaltevermögen sind ihm zu wünschen. Es wäre schade, hier auf halbem Wege stehen zu bleiben.