Giacomo Puccinis „Il trittico“ bei den Salzburger Festspielen
Giacomo Puccinis „Il trittico“ bei den Salzburger Festspielen
Salzburg, 29. Juli 2022, Christian Gohlke

Puccinis „Il trittico“, 1918 an der New Yorker Metropolitan Opera uraufgeführt, wird, anders als „Tosca“, „La Bohème“ oder „Turandot“, nur selten gespielt – ja, bei den Salzburger Festspielen ist dieses späte Triptychon noch überhaupt nie gezeigt worden. Jetzt hat Christof Loy die drei Einakter zum ersten Mal im Großen Festspielhaus inszeniert, zwar in einer abweichenden Reihenfolge, aber eng am Text und präzise in der Personenregie.

Den Anfang macht bei ihm „Gianni Schicchi“, also der Einakter, der eigentlich den Abend nach dem Willen des Komponisten komödiantisch mit der Bitte ans Publikum um „mildernde Umstände“ beschließen sollte. Misha Kiria singt diese dreiste Figur mit sattem Bass und verleiht ihr mit stimmig auftrumpfenden Gesten große Bühnenpräsenz. Nicht im Jahr 1299 siedelt Loy diese von Dantes „Göttlicher Komödie“ inspirierte Farce um Erbschleicherei an, sondern mehr oder weniger in unserer Gegenwart. Die Bühne von Étienne Pluss zeigt das Schlafzimmer des Buoso Donati, der auf einem gewaltigen, von Kandelabern flankierten Bett in der Bühnenmitte dem Tod entgegengeht, – allzu langsam freilich, wie seine habgierige Verwandtschaft meint, die sich wie Geier bereits um den Sterbenden eingefunden hat. Lautstark beklagen sie den anstehenden Verlust, essen dabei aber ungeniert und mit bestem Appetit Spaghetti. Loy inszeniert „Gianni Schicchi“ gekonnt als flotte Komödie ohne Klamauk, und Franz Welser-Möst liefert mit den Wiener Philharmonikern einen vorwärtsdrängenden, scharfkantigen, wunderbar zur Inszenierung stimmigen Orchesterklang. Weil nun das hastig aufgefundene Testament arg zu Ungunsten der Verwandtschaft ausfällt, muss der halbseidene Schicchi um Hilfe gebeten werden. Seine Tochter Lauretta setzt sich bei ihm ein, nicht zuletzt, weil sie mit Runuccio, einem Verwandten Donatis, liiert ist. Mit leuchtendem Sopran und zu Herzen gehender inniger Schlichtheit singt Asmik Grigorian das berühmte „O mio babbino caro“, woraufhin ihr Vater nicht anders kann, als der Familie behilflich zu sein. Es versteht sich, dass er sich im neuen Testament, das er, als Donati verkleidet, diktiert, sich selbst großzügig bedenkt. Die betrogenen Betrüger müssen das Schurkenstück hinnehmen, und der gerissene Gianni Schicchi darf am Ende sogar mit der Gunst des Publikums und mildernden Umständen rechnen.

Zu dieser Burleske bildet „Il tabarro“ einen denkbar großen Kontrast. Ein Schlepperkahn, der wie gestrandet auf der düsteren Bühne des Festspielhauses liegt, dominiert das Geschehen. Hier leben Michele und Giorgetta unter kärglichen Umständen. Ihre Beziehung ist überschattet vom Verlust des gemeinsamen Sohnes, und Giorgetta sehnt sich nach einem anderen Leben, flüchtet in eine Affäre mit Luigi, der auf dem Boot arbeitet. Roman Burdenko bemüht sich mit schön gerundetem Bariton als Michele nach Kräften um die Liebe seiner Frau, doch Asmik Grigorian findet keine Zuneigung in ihrem Herzen und kann sich nicht zu ihm zwingen. Intensiv gestaltet sie das Liebes-Duett mit Luigi, den Joshua Guerrero mit nicht immer sicher geführtem Tenor singt. Ein Missverständnis lässt Michele erkennen, dass er der Liebhaber seiner Frau ist. Im Zorn erwürgt er ihn und verbirgt die Leiche unter dem titelgebenden Mantel (tabarro). Auch hier hält sich Christof Loy mit eigenwilligen Deutungen zurück. Er folgt dem Libretto und überzeugt durch eine sensible Führung der Figuren. Dass der Höhepunkt des Stückes, der Mord an Luigi und die Entdeckung der Leiche durch Giorgetta, dennoch merkwürdig spannungsarm, fast unbeholfen wirkt, liegt sicher auch an Franz-Welser Möst, der die Sänger zwar verlässlich begleitet, hier aber die lastende und bedrohliche, zum Zerreißen gespannte Atmosphäre der Szene aber zu wenig entfaltet.

Die zarten Klänge zu Beginn von „Suor Angelica“ gelingen ihm besser. Jetzt stimmt der Orchesterklang zur Szenerie, denn Loy zeigt das Kloster, in das Angelica wegen eines unehelichen Kindes verbannt wurde, nicht als Ort des Schreckens. Zwar herrscht ein strenges Regiment; der satte Alt von Hanna Schwarz als Äbtissin fordert unwidersprechliche Gefolgschaft. Aber es gibt auch schöne Gemeinschaft und Andacht unter den Schwestern, die in dieser Produktion klanglich perfekt aufeinander abgestimmt sind. Erst als ihre Tante mit unerbittlicher Härte im Kloster erscheint und vom Tod des Sohnes berichtet (Karita Mattila mit großer Stimme und eisiger Anmutung), verliert Angelica ihre Geduld und Fassung. Sie entledigt sich ihres Habits, löst ihr Haar und steckt sich wie ausgehungert eine Zigarette in den Mund, um sich schließlich aus den Heilpflanzen, die sie im Kloster gezogen hat, einen tödlichen Gifttrank zu brauen. Kaum hat sie ihn getrunken, wird ihr bewusst, mit dem Selbstmord eine Todsünde begangen zu haben. Asmik Grigorian gestaltet diese Szene mit gleißender Intensität. Den Schluss der Oper zeigt Loy als Vision im Inneren der Figur, ohne dabei wesentlich vom Libretto abzuweichen. Angelica sticht sich wie Ödipus die Augen aus, um so, erblindet, des Wunders gewahr zu werden, das die Mutter Gottes an ihr vollbringt. Ein kleiner Junge läuft auf sie zu, in „visionärer Ekstase“ (so die Regieanweisung) streckt Angelica ihm ihre Hände entgegen. Es ist ein ersterbender Aufschrei, mit dem sie ihn empfängt und dann zu Boden sinkt. Ein großer Moment. Gefährlich nahe am Kitsch und nur möglich, weil Grigorian ihn so eindringlich darzustellen weiß. Großer Jubel, besonders für die Protagonistin des Abends, die durch enorme Wandlungsfähigkeit und darstellerische Kraft überzeugt, aber auch für den Regisseur für eine zurückhaltende, genau gearbeitete und stimmige Deutung. Schade nur, dass der verlässlich arbeitende Franz Welser-Möst den Farbenreichtum und die Dramatik der Partitur nicht besser auszukosten weiß.