Wie Neumeier zusammen mit seinem Bühnen- und Kostümbildner Jürgen Rose die drei Handlungsstränge einerseits klar voneinander abzugrenzen versteht, sie aber andererseits immer wieder kunstvoll miteinander verflicht, verdient höchste Bewunderung. Da ist zunächst die höfische Sphäre. In biedermeierlich anmutenden, farblich fein aufeinander abgestimmten Kostümen wird zu Musik von Mendelssohn Bartholdy, die Markus Lehtinen mit dem Philharmonischen Staatsorchester vor allem in den lyrischen Passagen sehr schön entfaltet, die Handlung zwischen Theseus und Hippolyta, Helena und Demetrius, Lysander und Hermia mit einem Bewegungsvokabular erzählt, das sich noch am ehesten am Repertoire des klassischen Balletts orientiert, von Neumeier aber expressiv aufgebrochen wird. So schafft er es, die drei im Zentrum stehenden Paare je ganz eigen zu charakterisieren.
Hélène Bouchet und Edvin Revazov erscheinen als Herrscherpaar auch noch im Streit elegant mit weichen Linien und raumgreifenden Gesten. Jugendlich ungestüm dagegen präsentiert sich Matias Oberlin, der mit präziser Technik den temperamentvollen Gärtnerburschen Lysander tanzt, der mit seiner Geliebten Hermia in der Natur Zuflucht sucht vor den Unbilden der Gesellschaft. Aber auch Demetrius ist seit kurzem in Hermia (anmutig und grazil von Madoko Sugai getanzt) verliebt und hofft, sie im Wald zu finden. Alexandre Riabko gestaltet diese Rolle mit einer militärischen Grandezza als einen schneidigen und ein wenig steifen Offizier. Ihm wiederum folgt die unglücklich liebende Helena (Leslie Heylmann) in klettenhaft unbeholfener Anhänglichkeit, die so komisch wie anrührend wirkt. Puck soll mit seinem Blumen-Zaubersaft dafür sorgen, dass Demetrius wieder Helena und nicht mehr Hermia liebt. Doch er verwechselt die Paare, so dass die Verwirrung der Gefühle in einem virtuosen Quartett im nächtlichen Wald von Athen zum grausamen Vergnügen Pucks vollkommen wird.
Die Rolle des Puck – zentral für jeden „Sommernachtstraum“ – ist nicht nur technisch eine Herausforderung. Sie verlangt auch einen besonderen, möglichst menschen-unähnlichen Ausdruck. Bewegt sich dieser schalkhafte Naturgeist bei Neumeier doch einmal nach der Menschen Weise, dann nur, indem er sie nachahmt, ganz so, als versuche er durch Imitation eine Annäherung und Einfühlung in diese konfusen Geschöpfe zu erreichen, denen er nächtens begegnet. Für dieses elbische, naturhafte Wesen findet der hinreißende Alexandr Trusch einen bezwingenden Ausdruck. Charmant, liebenswert und witzig, aber auch grausam wie ein Kind, das lachend dem von ihm angerichteten Unheil zuschaut, dessen Tragweite es nicht überblickt. Truschs Puck ist stets präsent und das Zentrum des Abends. Manchmal liegt er rücklings mit seitlich nach oben gestreckten Beinen auf dem Boden und harrt dem Gang der Dinge, dann wieder überwindet er leicht größere Strecken in raschen Pirouetten oder baumelt kopfunter im Gesträuch und beobachtet die Handwerker bei ihrer tölpelhaften Probe von „Pyramus und Thisbe“.
Vor allem Marc Jubete als Zettel, der, zum Esel geworden, rasend von Titania geliebt wird, und Borja Bermudez, der als Flaut die Rolle der Thisbe nur unwillig übernimmt, dann aber im komischen Spitzentanz brilliert, entfalten die derbe Komik dieser Handwerker-Szenen mit großer Spiellust. Drehorgelmusik begleitet ihre tragische Aufführung, die anlässlich der Dreifachhochzeit dargeboten wird, die das Stück nach Art der Komödie glücklich beschließt. Nach diesem „Sommernachtstraum“ verlässt man den Theatersaal mit gehobenem Herzen. Bravo a tutti!