Märchenzauber in der Mailänder Scala
Rudolf Nureyevs Ballett „Der Nussknacker“
Mailand, 18. Dezember 2022, Eva Muzio

Zum Gedenken an den großen russischen Tanzer Rudolf Nureyev, der am 6.1.1993 in Paris im Alter von nur 54 Jahren verstarb, inszeniert das Mailänder Opernhaus zur Eröffnung seiner diesjährigen Ballettsaison dessen Neubearbeitung der Choreographie des berühmten Balletts „Der Nussknacker“. Der Inhalt des Balletts beruht auf E.T.A. Hoffmanns Erzählung „Nussknacker und Maeusekönig“aus dem Jahr 1816, wobei der Nussknacker das Weihnachtsgeschenk ist, dass Clara, die Hauptfigur der Erzählung, erhält und der dann menschliche Züge annimmt, in einer Verschmelzung von Phantasie und Wirklichkeit. Claras Träumereien stellen den Inhalt des Balletts dar und nehmen Gestalt an durch 85 Tänzer des Corps de ballet unter der Leitung von Aleth Francillon und Manuel Legris (letzterer selbst in Paris unter Rudolf Nureyev groß geworden), 72 angehende Tänzer der Scala Akademie, den Kinderchor der Scala und 70 Musiker unter der Leitung von Valery Ovsyanikov, einem russischen Dirigenten, der auf die Interpretation von Ballettmusik spezialisiert ist. Fünf Paare wechseln sich in den Hauptrollen Drosselmeyer/Prinz und Clara ab, jedes Paar tanzt in drei Aufführungen. Den Anfang haben Nicoletta Manni und der aus Lettland stammende Timofej Andrijashenko gemacht, die übrigens nachsten Sommer heiraten wollen, nachdem er ihr letzten Sommer auf offener Bühne einen Heiratsantrag gemacht hat – die Nachricht ging durch alle italienischen Zeitungen. Ein anderer Solotänzer ist der momentan im Programmheft noch als „Gast“ aufgeführte Jacopo Tissi, der nach Ende seiner Ausbildung an der Scala vom Bolschoitheater in Moskau verpflichtet und dort umjubelt wurde – der erste Italiener an diesem berühmten Theater überhaupt. Nach dem Einmarsch der Russen in die Ukraine hat Tissi allerdings spontan das Theater verlassen und ist in seine Heimat zurückgekehrt.

Während Clara träumt, tummeln sich auf der Bühne Mäuse, Pferde und riesige Fledermäuse. Die vielen Balletteinlagen – Großvatertanz, Schneeflocken, Spanischer, Arabischer, Chinesischer Tanz sowie die Pastorale, alle jeweils von Solisten des Corps de ballet getanzt, werden getragen von Tschaikowskis berühmter Musik, und der davon ausgehende Zauber wird unterstrichen durch das in warmen Farben gehaltene Bühnenbild von Nicholas Georgiadis. Eine gelungene Vorstellung, durch die der Zuschauer in eine andere Welt versetzt wird und ihn vorübergehend die Unbilden der heutigen Zeit vergessen lässt.