Mit einem Augenzwinkern und unter Applaus des Publikums erläuterte die Sopranistin und Dirigentin Barbara Hannigan ihr eigens für das Konzert bei den Münchner Philharmonikern kuratiertes Programm. Ausschließlich Komponisten aus Amerika, bekannte wie Charles Ives oder George Gershwin, und völlig unbekannte, die wie Ives zu den ‚Ultramodernists‘ der amerikanischen Musik zählen, waren in der nicht ganz ausverkaufen Isarphilharmonie zu hören. Vor der Pause ging es eher auch mal dissonant in der Tradition von Charles Ives zu, nach der Pause dann gefälliger, aber nicht weniger ernst mit Musik, die am Broadway Karriere gemacht hat.
Interessant fand ich vor allem den ersten Teil des Konzerts. Die Komponisten Ruth Crawford Seeger, Wallingford Riegger und Carl Ruggles, die in der Tradition von Ives standen und vor der Pause zu hören waren, kannte ich bisher noch nicht. Eröffnet wurde der Abend auf ungewöhnliche Weise: Mit einem Lied, beinahe einer Hymne von Charles Ives für Sopranstimme und Klavier, „At the River“, von Hannigan ausdruckstark und verinnerlicht gesungen, und mit „From the Steeples and the Mountains“, ebenfalls von Ives, einem Stück für vier Glockenspiele, Trompeten und Posaunen. Die Instrumente waren über die ganze Isarphilharmonie verteilt und die Klangmassen, zunehmend chaotisch und polyphon, überwältigend. Crawford Seegers kurzes „Rissolty Rossolty“ für Orchester kam zunächst tonal und harmlos daher, verdichtete sich aber dann doch im Klang, ohne angestrengt dissonant zu werden. Das war bei Riggers „Study in Sonority“ op. 7 für Streicher anders. Aggressive Klänge, komplexe Rhythmen, die, wie auch im von Hannigan selbst geschriebenem Programmheft verdeutlicht, durchaus an Katzenschreie erinnern. Ein Stück, das seine Krallen zeigt! Mit Rugglers „Sun-Treader“ für großes Orchester, einem 15-minütigen, tonal konzipierten, aber doch oft dissonantem Stück mit etlichen Eruptionen, endet der erste Teil des Konzerts. Bei diesem Stück wurde besonders deutlich, dass die Ultramodernisten in Amerika, obwohl von Europa beeinflusst, ihre eigenen musikalischen Wege gesucht haben. Dauerintensität und Pathos – vielleicht lässt sich damit diese Musik und zugleich ein liebenswerter amerikanischer Charakterzug angemessen beschreiben.
Zwei ganz andere Stücke in der Tradition der Broadway Musicals standen dann nach der Pause an – Richard Rodgers „The Carousel Waltz“ und Gershwins „Porgy and Bess – A Symphonic Picture“ in der Bearbeitung von Robert Russell Bennett aus dem Jahr 1942. Das Musical „Carousel“ dürfte nicht zuletzt jedem eingefleischten Fußballfan durch „You’ll Never Walk Alone“ bekannt sein. Der Walzer, die Ouvertüre zu dem Musical, hat durchaus düstere Züge, so wie auch das Musical düster im Inhalt ist. Mit welchem Gespür für leichte Tempoverschiebungen, Klangfarben, Höhepunkte, nach denen dann neu angesetzt wird, um zu neuen Höhepunkten zu führen, Hannigan den Walzer dirigierte und die Musiker ihr mit großem Enthusiasmus folgten, begeisterte das Publikum. Zu Recht, vor allem, wenn man weiß, wie schwierig es ist, Walzer wirklich gut aufzuführen. Auch ihre Interpretation von „Porgy and Bess: A Symphonic Picture“ betonte die Tragik des der Musik zugrundeliegenden Stücks. Musicals aus dem Broadway sind keinesfalls leichte, geschweige denn seichte Unterhaltung, sondern eine genuine amerikanische Kunstform. So mag man sich ‚Make America Great Again‘ gerne gefallen lassen!
Und wer sich selbst einen Eindruck verschaffen möchte: Am 11. Februar um 20:03 läuft eine Aufzeichnung des Konzerts auf BR Klassik.