Mehr Romantik, bitte!
Richard Wagners romantische Oper in einer missglückten Neuinszenierung an der Bayerischen Staatsoper
München, 3. Dezember 2022, Christian Gohlke

Dieser neue „Lohengrin“ im Münchner Nationaltheater ist enttäuschend, ja ärgerlich. Und das trotz einer guten, zum Teil sogar hervorragenden Besetzung. Da ist zunächst Klaus Florian Vogt in der Titelpartie. Sein heller, aber kraftvoller und zu klanglicher Differenzierung fähiger Tenor verleiht dieser Figur die nötige Aura und trägt auch noch im zartesten Piano, etwa in der fein ausgedeuteten „Gralserzählung“. Ihm zur Seite steht mit Johanni von Oostrum eine Elsa mit flexiblem, leuchtendem, aber vielleicht nicht allzu farbenreichem Sopran. Mit dramatischem Furor, großem Einsatz und zuweilen auch flackernder Schärfe agiert Anja Kampa als ihre intrigante Gegenspielerin Ortrud. Ihr Anruf an die entweihten Götter hat Wucht, ihr Dialog mit Elsa im zweiten Akt abgefeimten Hintersinn. Dagegen wirkt der solide Johan Reuter als Telramund fast etwas harmlos, wohingegen Mika Kares mit seinem kraftvollen Bass als König Heinrich und Andrè Schuen als profunder Heerrufer über Autorität verfügen. Mit solchen Sängern sollte es eigentlich möglich sein, einen musikalisch hinreißenden „Lohengrin“ zu gestalten. Dass dies nicht gelang, lag zu guten Teilen an François-Xavier Roth, der mit dieser Premiere sein eher unglückliches Hausdebüt als Operndirigent in München gab. Die gläserne Härte, mit der er den Beginn des zauberhaften Vorspiels gestaltete, nahm durchaus noch für sich ein. Auch führte der französische Maestro Sänger und Chor (klangschön einstudiert von Tilman Michael) sicher durch den langen Abend. Aber der Klang des hervorragenden Staatsorchesters blieb unter seiner Leitung enttäuschend flach und undifferenziert und ziemlich kühl. Nicht, dass es an Lautstärke gefehlt hätte (im Gegenteil war man in Reihe 16 gelegentlich versucht, sich die Ohren zuzuhalten), aber hohe Dezibelwerte sind eben noch kein Garant für dramatische Zuspitzung. Schwerer wiegt, dass es dem Abend an lyrischem Schmelz, an romantischer Wärme, an impressionistischen Farben fehlte.

Hier erwies sich Roth (leider!) als idealer Partner für die Regie von Kornél Mundruczo. Der überlässt Sänger und Chor im kalten Bühnenraum von Monika Pormale (ein weißer, aseptischer Kasten zunächst mit Gras und Tümpel, dann mit Renaissance-Portal und Straßenlampen, schließlich mit von oben sich herabsenkendem Riesenstein) gerne sich selbst. Nur Johanni von Oostrum gelingt ein eindringliches Rollenportrait: Sie stellt Elsa als verstörte, von Wahn und Selbstmord bedrohte Figur dar, die vielleicht gerade wegen dieser psychischen Disposition allzu leicht an einen erlösenden Helden zu glauben bereit ist. Dass Lohengrin ohne Schwan erscheint und auch sonst keinerlei Insignien seiner hohen Herkunft an sich trägt, sondern wie alle anderen auch ein beigefarbenes Sweatshirt trägt, verwundert an diesem Abend niemanden. Gäbe es einen Preis für die sinnlos-hässlichsten Opernkostüme (grauenvoll: Ortrud in Skinnyjeans), Anna Axer Fijalkowska wäre unter den zahlreichen Aspiranten weit vorne zu nennen. Und so enttäuscht dieser neue „Lohengrin“ bitter: Weder gewinnen ihm Kornél Mundruczo und François-Xavier Roth neue Perspektiven ab noch nehmen sie mit Atmosphäre und Dramatik für ihre Deutung ein. Ein zäher, ein ermüdender Abend. Es sei vor ihm gewarnt.