Eigentlich hätte Zubin Mehta am Pult des Staatsorchesters stehen sollen. Leider musste der vormalige Generalmusikdirektor, der Ende April 89 Jahre alt wurde, seine Mitwirkung absagen. Eine Enttäuschung für alle seine Fans, die auf ein spätes Wiedersehen gehofft hatten. Doch mit Ivan Repušić konnte ein Ersatz gefunden werden, der am Ende zurecht vom Publikum gefeiert wurde. Repušić, in Kroatien geboren und immer wieder auch an großen Häusern engagiert, hatte gerade für diese facettenreiche Partitur eine glückliche Hand. Bei eher zurückhaltenden Tempi, die dennoch spannungsreich blieben, gelang es ihm, die zarten, filigranen Schönheiten dieser späten Musik genauso zu entfalten wie ihre dramatischen Ausbrüche. Außerdem konnte sich das starke Ensemble jederzeit auf seine klaren Zeichen verlassen.
Mag sein, dass Stephen Costello sich in der Titelpartie im ersten Akt stimmlich ein wenig zu sehr verausgabte und mehr auf Lautstärke als auf eine differenzierte, vom Text ausgehende Gestaltung setzte. Aber sein Tenor ist angenehm und klingt auch noch im Finale nie gequetscht. Rachel Willis-Sorensen steht ihm als Elisabeth mit einem etwas spröden, aber kraftvollen Sopran gegenüber. Wie bei Costello würde man sich auch von ihr eine noch nuancenreichere Gestaltung der Arien wünschen. In „Tu che le vanita“ zu Beginn des letzten Aktes scheint zu wenig das Erinnerungsglück an vergangene Jugendtage auf. Was ihr abgeht, liefert Erwin Schrotts Philipp fast überreich: Sein König kommt zwar schon etwas steifbeinig daher, ist aber noch kein Greis. Stimmlich verfügt er über alle Möglichkeiten und schafft es so, die Szenen zu dominieren. Leider lässt er sich gerade in seiner großen Arie „Ella giammai m’amo“ von den eigenen enormen gestalterischen Möglichkeiten verführen, so dass die Szene zu sehr zum sich selbst genügenden Kunststück wird. Doch bleibt Schrotts Leistung an diesem Abend bewundernswert genug und bildet in der Konfrontation mit Dmitry Belosselksiy als bedrohlicher Großinquisitor einen Höhepunkt der Aufführung. George Petean kann als Marquis Posa seinen warmen Bariton in langen Bögen geschmeidig fließen lassen, und Yulia Matochkina gelang als Eboli eine musikalisch differenzierte Gestaltung, wenn bei „O don fatale“ auch ein kraftvollerer Mezzo wünschbar wäre.
Dass das Publikum sich ganz dem Genuss der Musik widmen konnte, die an diesem Abend weit überm Niveau einer bloßen Repertoire-Vorstellung geboten wurde, ist auch ein Verdienst der Inszenierung von Jürgen Rose aus dem Jahr 2000. Das überwiegend schwarze Bühnenbild lässt die historisierenden, hervorragend gearbeiteten Kostüme bestens zur Geltung kommen und schafft eine konzentrierte Atmosphäre. Es sind große, eindrucksvolle Tableaus, die Roses „Carlos“ sehenswert machen, weniger eine psychologisch exakte oder gar eigenwillige Personenführung. Großer Applaus im Nationaltheater.