Als Luc Bondys Inszenierung der „Tosca“ im September 2009 die neue Spielzeit an der Metropolitan Opera in New York eröffnete, fiel sie beim Publikum gnadenlos durch, sicher auch, weil sie dort die äußerst beliebte alte Produktion von Franco Zeffirelli ablöste. In München, wo Bondys „Tosca“ seit den Opernfestspielen 2010 auf dem Spielplan steht, war die Reaktion der Zuschauer am Premierenabend eher lau. Doch inzwischen wird man seine Arbeit zu den gelungeneren Inszenierungen der letzten Jahre rechnen.
In einem reduzierten Bühnenbild, das die drei Schauplätze (Kirche, Zimmer im Palazzo Farnese, Engelsburg) gleichwohl erkennen lässt (Richard Peduzzi), entfaltet sich in geschmackvoll historisierenden Kostümen (Milena Canonero) ein differenziertes Spiel vor allem zwischen den drei Protagonisten. Das ist die stärke dieser Inszenierung: Sie erzählt kurzweilig eine packende Geschichte. Wie gut sie gelingt, hängt selbstverständlich vor allem von der jeweiligen Besetzung ab. Und die war bei dieser Wiederaufnahme ziemlich gut.
Piotr Beczała ist hier an erster Stelle zu nennen. Der polnische Sänger, Jahrgang 1966, gehört seit vielen Jahren zu den gefragtesten lyrischen Tenören der Welt. Obwohl er auf eine inzwischen lange andauernde Karriere zurückblicken kann, ist seine Stimme wunderbar elastisch und frisch geblieben. Beczałas Tenor ist kraftvoll, hat schön gerundete Höhen und ein stets nobles Timbre. Die begeisterten „Vittoria“-Rufe im zweiten Akt („con grande entusiasmo“ gesungen) gehen unter die Haut. „E lucevan le stelle“ berührt durch zarte Melancholie und tiefe Trauer. Zurecht wurde Piotr Beczała für seinen Cavaradossi vom Publikum gefeiert. Ihm zur Seite stand Saioa Hernández als Tosca. Seit ihrem Debüt an der Scala 2018 gehört die spanische Sängerin (geboren 1979) zu den vielbeschäftigten Sopranen unserer Zeit. Restlos überzeugen konnte sie als Tosca jedoch nicht. Ihr Sopran hat Kraft und ist sicher geführt, wobei die Höhen bisweilen etwas eng wirken. Leider bleibt diese Stimme im Ausdruck, in den Farben zu monochrom. Im Zusammenspiel mit Ambrogio Maestri als Scarpia gewann ihr Spiel dennoch dramatische Größe. Maestri wiederum, in München als Falstaff oder Dulcamara wohlbekannt und allseits geschätzt, fehlt in der Rolle des Scarpia vielleicht ein wenig die abgründige Bösartigkeit, sein Bass jedoch ist von geradezu furchteinflößender Kraft und Ausdauer. Mühelos übertönt er mit diesem gewaltigen Organ das Bayerische Staatsorchester, das sich an diesem Abend unter der Leitung von Carlo Rizzi wahrlich nicht zurückhält. Dass Puccinis Partitur durchaus auch impressionistische Elemente aufweist, wird kaum hörbar. Das Orchester, stellenweise zu laut, entfaltet, klangsatt und dunkel getönt, jedoch großen dramatischen Furor. Das Publikum dankte mit begeistertem Applaus.