Seit Mozarts 200. Geburtstag, der 1956 gefeiert wurde, gibt es in Salzburg alljährlich um den 27. Januar herum die Mozart-Woche (heuer vom 23.1. bis zum 2. Februar mit insgesamt 51 Veranstaltungen, darunter nicht nur Opern- und Konzertaufführungen, sondern auch Vorträge, Filme oder Führungen). Natürlich steht das Werk Mozarts auch dieses Jahr im Zentrum, wird aber gerahmt von Kompositionen seiner Wegbereiter und -begleiter. Das ist durchaus spannend, gerade wenn Joseph Haydn in direkte Nachbarschaft mit Mozart gesetzt wird und so Bezüge, vor allem aber auch Abweichungen deutlich werden. Dass aber die einzige szenische Opernproduktion dieser Saison keinem Werk Mozarts gewidmet ist, sondern Monteverdis „Orfeo“, ist dennoch merkwürdig, zumal der umtriebige Intendant des Festivals, Rolando Villazon, selbst die Hauptrolle darin singt. Hier wäre eine Konzentration auf den genius loci doch sinnvoll, will man ein Verwässern des Programms vermeiden.
Immerhin, im berühmten, 1913 gegründeten Marionetten-Theater wurde eine Produktion wiederbelebt, die 1976 Premiere hatte: „Die Gärtnerin aus Liebe“ (KV 196), die der 18 Jahre alte Komponist vor 250 Jahren für den Münchner Hof geschrieben hat. Die historische Ausstattung von Günther Schneider-Siemssen, die liebevoll gearbeitete Szenerien im Geiste des 18. Jahrhunderts zeigt (Gartenlandschaften, Wälder mit zwitschernden Vögeln, weite Horizonte mit grasenden Schafen, schattige Grotten und dergleichen mehr) und die feinsinnigen, den sozialen Rang ihrer Träger widerspiegelnden Kostüme von Marie-Luise Walek wurden sorgfältig restauriert, die Oper selbst aber neu eingerichtet. Gespielt wird (vom Band) die temporeiche und feinsinnige Aufnahme von René Jacobs mit dem Freiburger Barockorchester aus dem Jahr 2012. Die Dialoge wurden von Philippe Brunner und Philipp Schmidt gekürzt und frei ins Deutsche übertragen. Gesprochen werden die Texte von sieben jungen Schauspielern (Studenten des Mozarteums zumeist). Wenn die Ouvertüre erklingt, begeben sie sich zur Bühne und grüßen dort mit Handschlag oder Verbeugung die Marionette, der sie gleich ihre Stimme leihen werden – eine charmante Idee. Nicht unproblematisch ist hingegen die neue Textfassung. Wo das Libretto geschickt mit überkommenen Typen operiert, die durchaus eine Nähe zur Commedia dell’arte aufweisen, bleiben die neuen Dialoge allzu gleichbleibend im Ton und lassen individuelle Einfärbungen in Sprache und Stil vermissen – ein Eindruck, der von der Art, wie sie gesprochen werden, verstärkt wird. Hier wäre es vielleicht doch sinnvoll gewesen, die Rollen mit altersgerechten Sprechern zu besetzen, um so die Figuren plastischer voneinander abzugrenzen. Was den Rezitatoren fehlt, gelingt den Puppenspielern überraschend gut. Wie gekonnt sie ihre Marionetten führen, wie sprechend die Gesten sind, die sie finden, ohne dabei zu übertreiben, verdient jede Bewunderung – und könnte Opernsängern aus Fleisch und Blut geradezu eine anschauliche Lehre sein.
Einen schönen Kontrast zum überschießenden Frühwerk dieser Oper bildete das Konzertprogramm, das der Matinee im Marionettentheater vorausging und gewichtige Spätwerke ins Zentrum stellte. Im Großen Saal des Mozarteums bot das Juilliard String Quartet nach Joseph Haydns g-Moll-Quartett op. 20/3 das Jagdquartett KV 458 und schließlich das Klarinettenquintett KV 581 mit Daniel Ottensamer. Der brachte endlich Wärme und Natürlichkeit ins Musizieren der vier amerikanischen Gäste. Zunächst war der Eindruck, den das Quartett hinterließ, durchaus erkältend: Ein kleiner, sehr heller Ton, der aus weiter, weiter Ferne zu kommen schien und kaum jemals aufblühte, verbunden mit einer irgendwie kurzatmig wirkenden Phrasierung. Zierlich, kühl, ja geradezu aseptisch nahm sich das Allegro vivace im Jagdquartett aus, und auch das Adagio blieb kühl, wenn hier die Erste Geige auch immer wieder sehr schöne, technisch makellose Kantilenen beitrug. Weit natürlicher nahm sich dann das Spiel Ottensamers aus. Das Larghetto im Klarinettenkonzert gelang mit langem Atem als großer, sinnfällig gestalteter Bogen, der Ton war wunderbar warm und belebt, berückend gelang im Variationensatz der große heilige Moment, ehe Mozart das Thema musikantisch ins Übermütig-Frohe wendet.
Auch beim Orchesterkonzert im Großen Festspielhaus wurde dem Werk Mozarts eines von Haydn vorangestellt, dieses Mal die frühe Symphonie in f-Moll, Hob. I:49 aus dem Jahr 1768. Adam Fischer und die klein besetzten Wiener Philharmoniker fanden dafür einen schlanken, geschmeidigen Ton und federnde Rhythmen. Beides bewährte sich nach der Pause auch bei Mozarts Prager Symphonie KV 504, wobei die harmonischen Schärfen im Kopfsatz, aber auch im Andante durchaus schneidender hätten herausgearbeitet werden können. Dafür wurde der elegische Charakter des Andante sehr deutlich. Im Presto-Finale mit seinen überraschenden Wendungen hätte man sich eine noch zwingendere Gestaltung der Übergänge gewünscht, aber die Schönheit des Orchesterklanges nahm unbedingt für sich ein. Von der außerordentlichen Qualität der Musiker konnte man sich auch bei Mozarts letztem Klavierkonzert in B-Dur, KV 595 überzeugen, weil das Zusammenspiel zwischen Igor Levit am Flügel und beispielsweise den Holzbläsern exemplarisch gut gelang. Levit nahm sich hier ganz zurück, war ein organischer, wenn auch solistisch hervortretender Teil des Orchesters. Sein schlanker Ton überzeugte im Allegro mit perlenden, aber nicht selbstgefälligen Läufen und im Larghetto mit feinen dynamischen Schattierungen. Es ist gerade bei diesem Konzert ein heikler Grad: Schlicht und natürlich muss der Klavierpart klingen, aber eben nicht belanglos, sondern ausdrucksstark bei aller Zurückhaltung. Davon, von Ausdruck und Tiefe, hätte man sich von Levits schönen Spiel vielleicht etwas mehr gewünscht, wenn auch die Schnörkellosigkeit seines Musizierens durchaus zu dieser späten, ganz ins Innere gewendeten Musik passte. Schade, dass der Hornist das herrliche Allegro-Finale am Ende mit einem argen Patzer versah. Doch des Lebens ungemischte Freude, sagt Schiller, ward eben keinem Irdischen zuteil, nicht einmal, wenn er in Salzburg zur Mozartwoche kommt.