Überdreht und liebeswert
Donizetts "Liebestrank" am Gärtnerplatztheater
München, 29. Juni 2025, Michael Bordt SJ

Naja, etwas überdreht und knallig ist die Neuproduktion von Gaetano Donizettis Liebestrank im Gärtnerplatztheater in München dann doch geworden. Aber auf sympathische Weise. Dirk Schmeding, der Regisseur, und Martina Segna, die für die Bühne verantwortlich zeichnet, lassen die Handlung in den 70er-Jahren irgendwo in Italien spielen. Die Sonne glüht in Form einer großen Zitronenscheibe, der Quacksalber Dulcamara, mit routiniertem Bass und teilweise atemberaubenden Tempi von Alexander Grassauer gesungen, springt mit einem Glitzerkostüm (Frank Lichtenberg) und Vokuhila-Schnitt aus einem übergroßen Fernseher und weckt Assoziationen an Hitparaden und deutsches Unterhaltungsfernsehen. Die junge und prätentiöse Adina räkelt sich in einem schicken Badeanzug, die Kleidung der Dorfbewohner ist arm und verschlissen. Der arrogante Sergeant Belcore (dem Ludwig Mittelhammer seinen schönen und ausdrucksstarken Bariton verleiht) wird stets von vier Soldaten begleitet, und die tuntigen Bewegungen eines etwas korpulenteren unter ihnen amüsieren das Publikum.

In einer solchen Szenerie spielt sich nun das große Drama um die Liebe des jungen Nemorino zu der zunächst spröden Adina ab. Lucian Krasznec singt und spielt den unsterblich verliebten jungen Mann mit einem klaren, hellen, angenehmen Tenor, und was ihm an stimmlichen Ausdrucksmöglichkeiten und Farben in der Stimme dann doch fehlt, macht er durch engagiertes Spiel auf der Bühne wett. Jennifer O´Loughlin zeichnet den Weg einer jungen Frau, die sich nicht binden möchte, zu einer reifen Liebenden überzeugend nach. Gerade die große Schlussszene gelingt ihr differenziert und anrührend.

Dass die ganze Aufführung dann doch etwas zu spaßig geriet, lag auch an der musikalischen Leitung von Michael Balke. Er ließ das Orchester intensiv und zügig spielen, aber darunter litten gerade die Momente der Oper, in denen eher Ruhe und Erschütterung gefragt ist. Nemorinos ‚Adina credimi‘ geriet zu beiläufig, wenn einem Zuschauer eigentlich der Atem dabei stocken sollte, weil es nun für einen Moment todernst wird. Und, wenn man schon am kritisieren ist: Auch beim Chor hätte ich mir manchmal etwas mehr Konzentration und Nuancierungen gewünscht. Aber nichtsdestotrotz: Wenn man einmal eine Pause von den nicht abreißenden Nachrichten über die schrecklichen politischen Entwicklungen möchte, sei einem dieser Liebestrank im Gärtnerplatztheater wirklich empfohlen!